Alle Storys
Folgen
Keine Story von CSI Christian Solidarity International mehr verpassen.

CSI Christian Solidarity International

Ägypten kämpft für Gleichberechtigung der Geschlechter und Religionen
Dr. Mariz Tadros in Zürich

Binz (ots)

Fünf Jahre nach dem «Arabischen Frühling» sprach die ägyptische Wissenschaftlerin Dr. Mariz Tadros über die Herausforderungen eines sozialen Pluralismus in Ägypten. Eine Demokratie hänge nicht nur vom Wahlgewinn ab, sondern auch von der Gleichbehandlung aller, namentlich der Frauen und der Minderheitenreligionen. Für die aktuelle Situation in Syrien solle man von Ägypten lernen. Tadros war am Dienstag auf Einladung von Christian Solidarity International in Zürich.

«Wenn wir heute an den Nahen Osten denken, denken wir nicht an Widerstand», sagte Dr. Mariz Tadros in ihrem Vortrag am Dienstag in Zürich. «Dabei wehren sich die Leute aufs Schärfste gegen die Missachtung ihrer Rechte. Sie brauchen Solidarität!»

POLITIK AUF FRAUENKÖRPERN

Auf Einladung von Christian Solidarity International (CSI) zeigte Tadros auf, wie sich «gewöhnliche Leute» in Ägypten gleich gegen zwei Ungerechtigkeiten auflehnen: Zum einen gegen die religiöse Unterdrückung von christlichen Kopten, Bahai, Schiiten und anderen, die «in ihren Quartieren von Mobs angepöbelt, bedroht und terrorisiert» werden. Zum anderen gegen eine geschlechtsspezifische Unterdrückung, gegen die Austragung von politischen Kämpfen auf den Körpern von Frauen. Tadros rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, auch den Kampf von einfachen Leuten für Gerechtigkeit wahrzunehmen, nicht nur die Handlungen der Islamisten und des Militärs.

Als Beispiele für die Unterdrückungen nannte Tadros zwei ägyptische Frauen, die in den vergangenen Jahren öffentlich gedemütigt und zur Schau gestellt wurden: Eine verschleierte Frau, die auf dem Tahrir-Platz in Kairo für Demokratie protestierte, wurde im Dezember 2011 von Sicherheitskräften entblösst und verprügelt; Soad Thabet, eine ältere koptische Christin, wurde letzten Monat von einer pöbelnden Menge nackt ausgezogen und durch die Strassen geschleift. Beide Angriffe lösten in der ägyptischen Gesellschaft starke Reaktionen zugunsten von Frauen und Kopten aus. Im Fall von Soad Thabet, erklärte Tadros, hätten «ungewöhnlich viele Muslime» nach Gerechtigkeit verlangt.

MUSLIMBRUDERSCHAFT KEINE ALTERNATIVE

Die Regierung der Muslimbrüder - zuerst gewählt, dann abgesetzt - sei kein Zeichen einer Demokratisierung des Landes gewesen, sagte Tadros. «Wir müssen verstehen, warum die Menschen gegen Präsident Morsi [von der Muslimbruderschaft] rebelliert haben.»

Unter der Herrschaft der Muslimbruderschaft, erklärte Tadros, hätten sowohl sexuelle Belästigungen von Frauen wie auch die Diskriminierung von Kopten zugenommen. Der Grund dafür sei «das alltägliche Sprechen und Handeln» der Muslimbrüder-Regierung gewesen, die Teile der Gesellschaft ausschloss. Das führte zum Beispiel dazu, dass einige Lebensmittelverkäufer sich plötzlich weigerten, an Kopten zu verkaufen. «Die Wahl durch eine Mehrheit führt nicht automatisch zu einer Regierung für alle», erklärte Tadros. «Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass Frauenrechte und Religionsfreiheit dann schon kommen werden, wenn Ägypten eine Demokratie ist.» Vielmehr sei beides «grundlegend für jeden Kampf um Gleichberechtigung».

Das neue ägyptische Regime sei zwar «weit davon entfernt, demokratisch zu sein; es ist regelrecht autoritär». Trotzdem: «Sexuelle Belästigungen scheinen zu einem gewissen Grad abgenommen zu haben und der soziale Zusammenhalt zwischen Christen und Muslimen hat sich in vielen Dörfern verbessert.» Nach wie vor sei man jedoch meilenweit von einer Regierung für alle entfernt, so Tadros. Zu nennen wären hier die «Blasphemie-Gesetze», die in einer Hexenjagd-Manier angewendet würden; ebenso die Verbreitung von radikalen und von Saudi-Arabien finanzierten Salafisten-Bewegungen im Land, die Einschränkungen von Grundfreiheiten und die schwache Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit.

VON ÄGYPTEN LERNEN

In einem Ausblick auf die weitere Region, insbesondere den Krieg in Syrien, forderte Tadros die internationale Gemeinschaft dazu auf, von Ägypten zu lernen. Ein Staat mit einer Zivilregierung bedeute auch ein säkularer Staat; Wahlsiege ersetzten keine «integrative und auf Konsens basierende Politik» und regional ausgetragene internationale Machtverhältnisse - besonders die Terrornetzwerke, die sich seit 2011 von Libyen nach Syrien ausbreiten - stellten eine ernstzunehmende Gefahr dar.

«Inmitten von Unruhe sehen wir fortdauernde Kämpfe um Menschenwürde», fasste Tadros zusammen. «Diese Kämpfe können den politischen Weg eines Landes ändern.»

WEITERE INFORMATIONEN

Dr. Mariz Tadros ist die Autorin von drei Büchern: «Resistance, Revolt, and Gender Justice in Egypt» (Syracuse University Press, 2016), «Copts at the Crossroads» (American University in Cairo Press, 2013) und «The Muslim Brotherhood in Contemporary Egypt» (Routledge, 2012).

Die deutsche Version von Dr. Mariz Tadros' Vortrag ist online: www.csi-schweiz.ch/tadros_aegypten/

Der Vortrag von Dr. Mariz Tadros war Teil der CSI-Vortragsreihe «Die Zukunft der religiösen Minderheiten im Nahen Osten».

Der englische Vortrag und die Videos der übrigen Vorträge sind ebenfalls online: www.middle-east-minorities.com

Kontakt:

Alexandra Campana
Alexandra.Campana@csi-schweiz.ch
Tel. 044 982 33 70

Weitere Storys: CSI Christian Solidarity International
Weitere Storys: CSI Christian Solidarity International
  • 27.05.2016 – 13:50

    Einladung: Sozialer Pluralismus in Ägypten fünf Jahre nach dem «Arabischen Frühling»

    Binz (ots) - Dr. Mariz Tadros stammt aus Ägypten und forscht seit Jahren zum Nahen Osten. Aktuell ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institute of Development Studies der University of Sussex (UK). In früheren Jahren lehrte sich an der American University in Kairo und schrieb für die ägyptische Wochenzeitung Al-Ahram Weekly. Sie ist Autorin zahlreicher ...

  • 09.05.2016 – 14:00

    «Ermordung von Christen ist Botschaft an Muslime» / Buchautor Daniel Williams in Zürich

    Binz (ots) - Daniel Williams berichtete jahrelang als Journalist aus dem Nahen Osten. Als Menschenrechtsbeobachter für Human Rights Watch in Ägypten habe er erkannt, dass hinter Übergriffen auf Christen eine Ideologie stecke. Auf Einladung von Christian Solidarity International stellte Williams in Zürich sein neues Buch zur Christenverfolgung im Nahen Osten vor. ...

  • 12.04.2016 – 08:25

    Syrien-Experte Landis: "Grosses Aussortieren" nach Religion / Minderheiten chancenlos

    Binz bei Maur (ots) - Im Konflikt im Nahen Osten werde die religiöse Identität immer wichtiger, sagte der renommierte amerikanische Syrienexperte Joshua Landis kürzlich bei einem CSI-Vortrag in Boston. Eine riesige Anzahl Menschen müsse ihr Zuhause verlassen und bei Machthabern ihrer Religion Zuflucht suchen. "Im Rebellen-Gebiet in Syrien gibt es keine religiösen ...